Roland Barnabas Schill in Berlin:

Der Rechtspopulismus als des Volkes Stimme

Von HUmmel Antifa aus dem September 2002

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Spätestens Mitte der Neuziger Jahre trat die radikale Rechte mit einer neuen Form von Politik in die Öffentlichkeit. Nicht nur das auf ein angeblich besseres Gestern verweisende „Besinnen“ auf verlorene Heimaten, Traditionen und Werte -wie es der Bund der Vertriebenen tut- und auch nicht das massive Auftreten als schlagende und tötende Masse -wie heutzutage die freien Kameradschaften-, sondern die seriös wirkenden Rebellen und Rebellinnen innerhalb des parlamentarischen Systems standen nun mit der Strategie des Rechtspopulismus bereit. Dieser nennt sich nicht mehr unbedingt rechts, er grenzt sich elementar von der Nazis auf den Straßen ab, er verneint die Gewalt. Die Vertreterinnen und Vertreter des Rechtspopulimus stellen sich als Anwälte und Anwältinnen des Volkes dar. Dem Parlamentarismus werfen sie vor die Korruption zu fördern, den Willen der Menschen nicht zu kennen, sich den falschen Mächten -den USA, der Wirtschaft, kurzum den Synonymen des modernen Antisemitimus für die Juden- zu beugen und durch und durch morsch zu sein. Überhaupt arbeiten sie gerne mit Bildern einer sich auflösenden Natur oder mit dem Bild des zerfallenden Hauses. Und stellen sich dabei als die neuen Erbauerinnen und Errichter dieses Hauses, als Frühlingsbringende dar, als Rebbellierende. Sie seien nicht korrupt, sie wissen, was das Volk will. Und das Volk will bei Ihnen immer eines: endlich einem Volk an sich zugehören.Dem Volk als Gesamtheit, als eigenständiges Subjekt gilt ihre Sorge, es muß rein gehalten werden, dann gehe es den Menschen besser. So ist die Aussage des Rechtspopulismus

Vertreten wird er in Europa zum Beispiel von Silvio Berlusconi (Forza Italia), Umberto Bossi (Lega Nord), der Liste Pim Fortyne, Bruno Mégret (Mouvement National Républicain), Pia Kjärsgaard (Dansk Folkeparti), Jörg Haider (Freiheitliche Partei Österreichs) u.a.. In Deutschland versucht unter anderem Roland Barnabas Schill (Partei Rechtsstaatliche Offensive) diesen Platz zu besetzten.

Und auch wenn er immer weniger Erfolg damit hat, hat er Recht. Die Formierung der Menschen in Deutschland zu einem immer mehr zusammenstehenden und handelnden Volk ist [wieder] so weit fortgeschritten, dass der Rechtspopulismus sich an dessen Spitze stellen und mit dem Bild des tätigen Rebellen, der sich nicht auf die Parteikämpfe einläßt, sondern für ein gefühltes Volk spricht, punkten kann. Mit dem Ausschluß von „Anderen“ - Nicht-Deutsche, Menschen, die sich den Geschlechter- und Beziehungsdispositven nicht unterwerfen wollen, Linke, Nutzerinnen und Nutzer von Drogen und immer neuen Gruppen-, mit dem Ruf nach Sicherheit vor nicht vorhandenen Gefahren, mit dem Chauvinismus Deutschlands und dem Stolz auf die eigene Arbeit ruft Schill nur die Bilder ab, die von großen Teilen der Menschen getragen werden. Deshalb wäre es auch falsch zu denken, mit dem Diskreditieren und Ausbuhen Schills alleine wäre der Rechtspopulimus zu bekämpfen. Er ist vor allem ein Ausdruck der Machtverhältnisse und der Widerspürche, die zwischen den Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft und den produzierten Gegebenheiten aufklafft. Er führt immer weiter in ein verklärtes Bild des natürlichen Volkes, ohne Individum, mit überwachten Menschen, ausgeschlossenen Anderen und immer kampfbereiten Massen - in den Faschismus.

So richtig es ist gegen Schill vorzugehen, so wichtig ist es zu bedenken, dass nicht ein einfaches „Nazis raus“ oder ähnliches ausreichen wird, um mehr als zeitweilige Erfolge zu feiern. Notwendig ist es zu begreifen und klarzumachen, dass es nur einen Weg gibt, um den Rechtspopulimus, die Auswirkungen und konstruierten Probleme dieser Denkrichtung ein Ende zu bereiten; nämlich die vollständige Umwertung der Verhältnisse, die Destruktion der Machtverhältnisse und ökonomschen Strukturen, die Vernichtung der Idee von Volksgemeinschaften und der notwendig anhängenden Idee der Bösen, diese Volksgemeinschaft bekämpfenden, somit der Vernichtung freigegenen: der Juden.

Kurz und einfach: das, was Revolution genannt wird, konsequent und ohne die antisemitischen, nationalistischen, sexistischen und anderen blinden Flecken der Achtziger Jahre, ist die einzige Hoffnung die bleibt und auf die zuzustreben ist.


Literatur zu Rechtspopulismus:

Georg Seeßlen: Lautverschiebungen. Next Generation : Wie werde ich Rechtspopulist? Teil II, in Jungle World 32/2002.

Christian Christen: Modernisierung von Rechts. Berlusconi, Bossi, Fini oder die Zerschlagung des Wohlfahrtsstaates, in rls-texte.

Tabelle von EU-Regierungen mit rechtspopulistischen Parteien, in Freitag 27/2002.


weitere Informationen:

Sammlung zu Schill-Auftritten in Brandenburg: www.inforiot.de

Webseite der Schillpartei: www.schill-partei.de

Marco Carini / Andreas Speit: Ronald Schill. Der Rechtssprecher, Hamburg 2002.

 
 
 
 
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