In Europa tobt der Mob !

Vor der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin wurde vor Kurzem ein Wachmann mit einer Eisenstange angegriffen und verletzt. Dieser Vorfall steht nicht allein. In ganz Europa kam es in der letzten Zeit verstärkt zu antisemitischen Angriffen.

Von HUmmel Antifa (Januar 2009)

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In den vorangegangenen zwei Wochen reihten sich quer durch Europa Aufmärsche aneinander, auf denen sich Friedensaktivist_innen aller Couleur und organisierte Teile der palästinensischen Community zusammenfanden, um antisemitische Parolen zu rufen, Symbole antisemitischer Terrororganisationen zu zeigen, sich zu deren Zielen zu bekennen und damit in ihrem Sinne gegen den Krieg in Gaza zu demonstrieren. Die antisemitische Gewalt eskalierte in erschreckendem Tempo: Übergriffe auf jüdische Einrichtungen stehen 2009 auf der europäischen Tagesordnung.

So schlug am 14. Januar dieses Jahres in Berlin ein junger Mann einen von der Berliner Polizei eingesetzten Objektschützer vor der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße mit einer Eisenstange nieder und verletzte ihn dabei. Der ohne Staatszugehörigkeit in Deutschland lebende Angreifer ist nach eigenen Angaben Palästinenser und wollte mit seiner Tat gegen den Krieg in Gaza demonstrieren (1).

Die neue Synagoge in der Oranienburger Straße wurde Mitte des 19.Jahrhunderts erbaut, um der damals ca. 25000 Personen umfassenden Jüdischen Gemeinde als Gotteshaus zu dienen. Nach ihrer Schändung durch die Pogrome vom 9. November 1938 und ihrer anschließenden Zerstörung während des zweiten Weltkrieges, wurde sie 1995, im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus, wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Heute ist sie das Zentrum der Jüdischen Gemeinde Berlins und auch ein Symbol für jüdisches Leben in Berlin, nach dem fast alle Berliner Jüdinnen und Juden durch die deutsche Bevölkerung während des Dritten Reiches vertrieben und vernichtet wurden. Der Angriff auf den Wachmann vor der Synagoge ist folglich nicht anders zu verstehen als ein Angriff auf die in Berlin lebenden Jüdinnen und Juden.

Dieser Fall ist keine Ausnahme. So wie schon während des Libanonkrieges im Sommer 2006, ist europaweit ein Anstieg antisemitischer Ausschreitungen zu verzeichnen. So wurden in Paris, London, Helsingborg, Toulouse und Brüssel Brandanschläge auf Synagogen und jüdische Gemeindezentren verübt. In der dänischen Stadt Odense verletzte ein palästinensischer Mann zwei Israelis mit Schüssen. Zehntausende von Menschen demonstrieren in der ganzen Welt gegen den Krieg im Nahen-Osten. Nicht selten geht von diesen Demonstrationen Gewalt gegen Menschen aus, die ihre Solidarität mit vom Antisemitismus betroffenen Jüdinnen und Juden bekunden wollen, oder Einrichtungen des Israelischen Staates, wie z. B. in Oslo, wo am 9. Januar dieses Jahres eine pro-palästinensische Demonstration eine Kundgebung gegen Antisemitismus mit Steinen und Molotowcocktails attackierte (2). Unter den Fahnen von Hamas und Hisbollah schreitend und "Tod, Tod Israel" und "Tötet die Juden" skandierend geben diese Menschen vor, für Frieden und gegen Gewalt zu demonstrieren. Doch dass nicht der Wunsch nach Frieden, sondern der Hass auf Israel das Motiv der Demonstrierenden ist, ließ sich auch am 10. Januar dieses Jahres in Duisburg erkennen. Während einer Demonstration der islamistischen Organisation Milli-Görüs, versetzte eine in einem Fenster hängende Israelfahne die DemonstrantInnen derart in Aufruhr, dass Steine in Richtung des Gebäudes flogen und versucht wurde dieses zu stürmen. Anstatt dagegen vorzugehen brach die Polizei gewaltsam in die entsprechende Wohnung ein und entfernte unter großem Applaus die Fahne (3). All diesen Attacken und Ausschreitungen ist gemein, dass versucht wird, sie als Protest gegen Israels Militäroperation "cast lead" zu rechtfertigen und begründen. Diese Rechtfertigung sollte auch für den Boykottaufruf der italienischen Basisgewerkschaft Cub gegen israelische Produkte herhalten. Wird die nationalsozialistische Parole "Kauft nicht bei Juden!" in zeitgemäßer Variante gegen Israel verwendet, sind die italienischen Linken offenkundig gerne bereit, den Zusammenhang mit den Rassengesetzen von 1938 zu übersehen. Die Abwehr des herbei halluzinierten "Holocaust" in Gaza rechtfertigt, nach Ansicht der europäischen Linken, geradezu alle Mittel, seien sie auch noch so querfrontkompatibel. Wohl gemerkt handelt es sich hierbei um die selbe europäische Linke, der ein Boykott gegen den Iran niemals auch nur in den Sinn kommt, obschon die dortigen gesellschaftlichen Zustände, namentlich die Steinigung von "Ehebrecherinnen" und die Verfolgung sowie Tötung von Homosexuellen, allen Anlass dazu bieten würden. Stattdessen wird der islamistische Gottesstaat als Partner im Kampf gegen den US-Imperialismus verklärt.

Doch die Attacken auf jüdische Einrichtungen beweisen nicht, dass das militärische Vorgehen Israels zu einer Ausbreitung des Antisemitismus führen würde, sondern dass den Feinden Israels der Staat Israel als vermeintlich institutionalisiertes Judentum als Projektionsfläche für ihren Hass auf Jüdinnen und Juden dient. Die Ablehnung gegenüber jüdischen Menschen resultiert nicht daraus, dass sie fälschlicherweise ausnahmslos mit dem Staat Israel identifiziert werden. Es ist die Ablehnung des Staates Israel, die entsteht, weil dieser Staat ein jüdischer ist. Die Haltung der einzelnen Jüdinnen und Juden zu Israel ändert an diesem Verhältnis nichts.

Wenn von der Angst gesprochen wird, der Krieg in Gaza könne auch in Europa zu Konflikten zwischen Moslems und Juden führen, wird dem Gegenstand der falsche Name gegeben. Zu befürchten ist nichts anderes als ein Konflikt zwischen Antisemiten und Menschen, die ersteren als Jüdinnen und Juden gelten, inklusive all jenen, die durch ihre Solidarität mit Israel den Antisemiten als Feinde gelten. Benennt man die Konfliktparteien korrekt, erübrigt sich die Frage danach, wer hier der Aggressor ist.

Während es für den Vernichtungswillen großer Teile der palästinensischen Gesellschaft gegenüber Israel zahllose Beispiele gibt, bleibt die Anschuldigung, Israel plane in Gaza einen Genozid einzig der Versuch, das eigene Vorgehen als Verteidigung zu rechtfertigen.

Die Parole "Tod, Tod Israel" wünscht nicht bloß dem politischen Konstrukt Israel den Tod, sondern damit einhergehend die physische Vernichtung der Menschen, die den Staat Israel konstituieren. Letztlich heißt es also "Tod, Tod den Juden" was auf den von mehreren Zehntausend Menschen besuchten Demos skandiert wird.


Fußnoten

(1) www.spiegel.de (14.01.2009)
(2) www.bak-shalom.de (14.01.2009) unvollständige Liste von antisemitischen Übergriffen seid Beginn des Krieges.
(3)www.spiegel.de(14.01.2009)

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